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Gesellschaft

Ethische, moralische und soziale Grundsätze bereichern und beeinflussen das Handeln der Beteiligten im Planungs- und Bauprozess genauso wie wirtschaftliche und umwelttechnische Ansätze. Eine Gesellschaft prägt die Gestalt der gebauten Umwelt, der Städte und ihrer Gebäude. Umgekehrt beeinflusst die Architektur die Gesellschaft und ihre Wertevorstellungen. Unter dem Stichwort Gesellschaft gehen wir auf die direkten Wechselwirkungen zwischen der gebauten Umgebung, dem Bau- und Planungsprozess und der Gesellschaft ein.

Gesellschaftliche VerantwortungBaukultur
29.09.2023 2 Seite(n)

Gesellschaftliche Verantwortung

Häufig werden gesellschaftliche und kulturelle Anliegen bereits während der Programmentwicklung eines Bauvorhabens ausgeklammert, weil sie eine komplexe qualitative – und damit nicht messbare – Ebene darstellen. Es wird allgemein vermutet, durch die baurechtlichen Vorgaben seien die gesellschaftlichen Anliegen genügend berücksichtigt und in der Planung müssten diese nicht speziell beachtet werden. Damit sinken Sensibilität und Verantwortungsgefühl der Einzelnen gegenüber der Gemeinschaft, und die Bauherrin oder der Bauherr beschäftigt sich eher mit den wirtschaftlich messbaren Zielen einer Bauaufgabe. Diese Sensibilität und dieses Verantwortungsbewusstsein gilt es jedoch, innerhalb der durchgehenden Prozessachse zu etablieren und zu stärken. Bauen und Entwickeln sind nicht alleine an singuläre Wünsche der Auftraggebenden gekoppelt, sondern sie stehen im Mittelpunkt jeglicher gesellschaftlichen Entwicklung.

Alle Beteiligten im Planungs- und Bauprozess tragen Verantwortung in diesem Prozess. Öffentliche wie private Bauherren, Planende und Unternehmerinnen sind aufgefordert, selbstverantwortlich einen Beitrag zu leisten und ein Gleichgewicht zwischen den Belangen aus Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt im Sinne des 3- Dimensionen Modells zu schaffen. Dem Modell liegt der Gedanke der Solidarität in zweifacher Hinsicht zu Grunde; Solidarität gegenüber der Weltbevölkerung sowie gegenüber den künftigen Generationen. Es stellt sich nicht nur die Frage, wie wir am nachhaltigsten Bauen, sondern ob wir überhaupt bauen müssen, wie wir den Bestand umnutzen können und in wieweit wir breit sind, unsere persönlichen Bedürfnisse einzuschränken.

Internationale und nationale Strategien zur Baukultur

Neben der gesellschaftlichen Verantwortung im Wechselspiel mit Wirtschaft und Umwelt haben die Akteure auch eine Verantwortung für die Baukultur. Sie manifestiert sich an der Qualität von Architektur, Städte- und Landschaftsplanung sowie an einer sozialen, ökologischen und kulturellen Nachhaltigkeit.

Auf internationaler Ebene verpflichteten sich erstmals die europäischen Kulturminister im Januar 2018 im Rahmen des WEF in Davos die Baukultur in Europa zu fördern und sie als vorrangiges politisches Ziel umzusetzen. Sie wiesen darauf hin, „dass Baukultur als öffentliches Gut in der gemeinsamen Verantwortung von Regierungen, Organisationen und des Privatsektors steht und dass das Bewusstsein für die damit verbundenen kulturellen, sozialen, ökonomischen, ökologischen und technischen Belange dringend gesteigert werden muss...“ 1 Als zentral wird die Rolle der Kultur als Förderer des Gemeinwohls beschrieben und die Baukultur als untrennbare Einheit von gebauter und natürlicher Umwelt, als erhaltende Massnahme sowie zeitgenössische planerische Gestaltung, als traditionelles Wissen und Können sowie innovative Technik. Der gesellschaftliche Nutzen wird in der Identifikation mit dem eigenen Umfeld, in einer kulturellen Vielfalt, in angemessenem, bezahlbaren und erreichbaren Wohnraum, in Umweltverträglichkeit und verantwortungsvoller Bodennutzung sowie einem Mehrwert durch höherwertige und dauerhaftere Güter fest gemacht. Wege zu einer hohen Baukultur werden in einem Gleichgewicht zwischen kulturellen, sozialen, ökonomischen, ökologischen und technischen Aspekten, einer unter diesen Aspekten gleichberechtigten hohen Anforderung an die Qualität, einem interdisziplinären Diskurs, zum Beispiel über Wettbewerbe, sowie einer Sensibilisierung der Bevölkerung für die Baukultur gesehen. 2

In der Schweiz setzt sich der Bund in seiner Funktion als Bauherrin, Eigentümerin und Betreiberin, als Gesetzgeberin und Bewilligungsbehörde sowie als Geldgeberin für eine hohe Baukultur ein und formuliert Strategien, die auf eine Verbesserung der Gestaltung des gesamten Lebensraums zielen. Vom Bund in der Kulturbotschaft 2016-2020 lanciert und als Initiator der Davos 2018 Deklaration auf europäischer Ebene manifestiert, werden für die Legislaturperiode 2020-2023 in einem Aktionsplan konkrete Massnahmen zur Förderung der Schweizer Baukultur festgehalten und durch die entsprechenden Bundessstellen umgesetzt. 3

Das Dokument ‚Strategie Baukultur‘ wurde durch eine interdepartementale Arbeitsgruppe unter der Federführung des Bundesamtes für Kultur erarbeitet. In der Situationsanalyse werden „erhebliche und zunehmende Defizite im baukulturellen Schaffen“ 4 beschrieben.

Kritisiert werden ein Rückgang der Qualität in der breiten Masse der aktuellen Bauvorhaben, Nichtrücksichtnahme auf das Bestehende, gestalterisch austauschbare Überbauungen und unspezifische Freiräume, regionale Nivellierung, zersiedelter Lebensraum, fehlende Kompetenzen und Ressourcen auf Gemeindeebene, Standardisierung mit einhergehendem Verlust von handwerklich spezialisiertem Fachwissen und Können, fehlende Aus- und Weiterbildungsangebote im Städtebau, in der Landschaftsarchitektur und in der Raumentwicklung sowie mangelnden Wissens- und Technologietransfer zwischen Unternehmen und Hochschulen. 2

Handlungsbedarf dagegen wird im Folgenden gesehen:

  • Befähigung aller durch baukulturelle Bildung und spezifische Fachausbildung von Entscheidungsträgern an der Debatte über Baukultur teilzuhaben.
  • Etablierung von Baukultur als wissenschaftliche Disziplin, die sozialen, kulturellen und ökologischen Aspekten Rechnung trägt, mit einem fachübergreifenden Austausch zwischen Theorie und Praxis unter Ausschöpfung innovativer Potenziale
  • Verpflichtung gegenüber der Gesellschaft zu Qualität und Langlebigkeit, Biodiversität, nachhaltigem Umgang mit Raum und Ressourcen sowie professionellen, fairen und transparenten Ausschreibungs- und Vergabeverfahren zur Sicherung von Qualität, Innovation und Vision
  • Stärkung von qualitativen Aspekten in der Raumentwicklung zur Schaffung von Identität und Akzeptanz sowie eine verbesserte Verkehrs- und Siedlungsplanung
  • Gemeinsame Anstrengung aller Beteiligten am Planungs- und Bauprozess unter Wahrung des Gleichgewichts zwischen Planung, Gestaltung und Erstellung

Der detaillierte Massnahmenkatalog kann in dem Dokument ‚Strategie Baukultur‘ des Bundesamtes für Kultur nachgelesen werden. 

Online:<https://www.bak.admin.ch/bak/de/home/baukultur/konzept-baukultur/erklaerung-von-davos-und-davos-prozess/nationale-baukultur-strategien.html>, Stand 26.05.2020

 

 

 

⇧︎1. Kulturministerkonferenz 20.-22. Januar 2018, Davos Schweiz: Davos 2018 Declaration. Online: <URL>, Stand: 26.05.2020.
⇧︎2. Vgl. ebd.
⇧︎3. Schweizerische Eidgenossenschaft, Bundesamt für Kultur: Strategie-Baukultur, 12.05.2020. Online: <URL>. Seite 4.
⇧︎4. Ebd.
⇧︎5. Vgl. ebd.

Viele der natürlichen Ressourcen nutzt die Menschheit zurzeit übermässig. Die Überfischung der Ozeane ist ein Beispiel dafür, dass wir die uns zur Verfügung stehenden Ressourcen nicht nachhaltig bewirtschaften. Dieses Phänomen beschreibt der Ökonom Garrett Hardin als «Tragödie der Gemeingüter», er formuliert dazu zwei konzeptionelle Lösungsansätze: einen marktwirtschaftlichen und einen planwirtschaftlichen Weg. Nobelpreisträgerin Elinor Ostrom schlägt einen dritten, den gesellschaftlichen Weg vor. Sie zeigt auf, dass Menschen sehr wohl in der Lage sind, Ressourcen in Gemeinschaftsbesitz nachhaltig zu bewirtschaften. Diesen Gemeinschaftsbesitz nennt sie Allmende. Ihre Theorien finden sich heute beispielsweise in Wohngenossenschaften wieder.

Genossenschaft, Akzeptanz

30.10.2019 2 Seite(n)