Konsistenzstrategie
Unter Konsistenzstrategie versteht man die Einbindung der Ressourcen in langfristig geschlossene Kreisläufe. Vorbild sind die Kreisläufe der Natur, bei denen das Abfallprodukt eines Prozesses stets die Grundlage für einen anderen Prozess bildet. Die Energie, die den Kreislauf in Bewegung hält, wird aus erneuerbaren Quellen bezogen und es entstehen keine Emissionen, die sich in der Atmosphäre anreichern und nicht abgebaut werden.
Für Architektinnen und Architekten endet der Auftrag in der Regel nach der Fertigstellung und Übergabe des Gebäudes, und ihre Verantwortung endet nach Ablauf der Garantiefristen. Um nach den Regeln der Konsistenzstrategie zu bauen, muss aber der Prozess bis zum Rückbau des Bauwerks berücksichtigt werden. Während der Lebensdauer eines Hauses, wird dieses zudem meist mehrfach renoviert und verändert (Siehe auch: Flexibilität). Um die Konsistenz eines Bauwerks zu erhöhen, werden die möglichen späteren Anpassungen und der Rückbau bereits im Entwurf und in der Konstruktion berücksichtigt.
Das Augenmerk in der Baubranche auf die Stoffkreisläufe zu richten ist sinnvoll, denn zurzeit stammen circa 65 Gewichtprozente der gesamten Abfälle in der Schweiz aus dem Bereich des Bauens. 1 Die Relevanz für Optimierungen ist deshalb besonders gross und der Effekt bei Verbesserungen gewichtig.
Die genaue Berechnung der Umweltauswirkungen von Baumaterialien ist aufwendig. Oft ist es bereits hilfreich, sich zu informieren, was mit einem Material am Ende seiner Lebensdauer geschieht. Dabei sind Baustoffe vorzuziehen, die einem Recyclingprozess zugeführt werden können. Beim Recycling wird unterschieden, ob aus dem Abfall wieder ein gleichwertiges, neues Produkt hergestellt werden kann, oder ob der Abfall nur für ein minderwertiges Produkt verwendet werden kann. Zur ersten Kategorie gehört zum Beispiel Aluminium. Dieses im Bau häufig verwendete Leichtmetall kann weitgehend wieder als hochwertiger Rohstoff verwendet werden, allerdings nur durch grossen Energieaufwand. Zur zweiten Kategorie gehört zum Beispiel Beton. Dieser kann zwar mechanisch wieder zu Granulat gemahlen werden, das aber nicht gleichwertig ist mit frischem Kies. Aus Recyclinggranulat hergestellter Beton hat leicht andere Eigenschaften als Beton aus frischem Kies und es kann kein Beton aus 100-prozentigem Recyclinggranulat hergestellt werden. Die benötigte Energie im Recyclingprozess ist mit zu berücksichtigen und, um die Konsistenzstrategie konsequent umzusetzen, möglichst mit erneuerbaren Energiequellen zu decken.
Wenn ein Baustoff keinem Recyclingprozess zugeführt wird, ist zu unterscheiden auf welche Weise der Abfall entsorgt werden muss. Unterschieden werden hauptsächlich drei Varianten:
- Sonderabfall
beispielsweise Montageschäume, Gips, Farben, Isolierverglasung, Klebstoffe, - Inertstoffdeponie
beispielsweise Backstein, Ziegel, Beton, - Müllverbrennung
beispielsweise unproblematische vermischte Bauabfälle, Holzwerkstoffe, Kunststoffe.
Im Allgemeinen hat auch die Konstruktionsweise einen grossen Einfluss auf den Rückbau von Gebäuden. Durch Klebstoff verbundene Stoffe können zum Beispiel kaum mehr voneinander getrennt werden. Wenn ein problematischer Stoff an einen im Prinzip wiederverwendbaren Stoff geklebt ist, kann es dazu führen, dass auch Letzterer als Sonderabfall behandelt werden muss. Eine einfache mechanische Verbindung von verschiedenen Stoffen ist daher der Klebeverbindung vorzuziehen.
In manchen Fällen werden ganze Bauteile in anderen Gebäuden wiederverwendet. So können beispielsweise Dachziegel problemlos auf neue Dächer verlegt werden. Damit dies möglich ist, muss entweder ein allgemeiner Standard eingehalten werden oder in der Planung müssen verfügbare Bauteile bereits berücksichtigt werden. Bauteilbörsen bieten eine Handelsplattform für wiederverwendbare Bauteile. Zum Einsatz von Bauteilen aus zweiter Hand kommt jedoch erschwerend hinzu, dass niemand eine Garantie gewährt.
Das Prinzip der Konsistenz wurde auch unter dem Schlagwort «Cradle to Cradle» bekannt. Unter dem gleichnamigen Label werden Produkte vermarktet.
Die Ökobilanz-Methode
Ein grundlegendes Mittel für die Verbesserung der Konsistenz ist die Ökobilanz. Diese untersucht ein Produkt, in unserem Fall ein Gebäude, ein Bauteil oder einen Baustoff, in seiner Gesamtheit mit allen daran beteiligten Prozessen, allen Umwelteinflüssen und dem gesamten Ressourcenverbrauch. 2 Die Analyse umfasst die Rohstoffgewinnung, die Produktion, die Benutzung und die Entsorgung bezüglich Ressourcenverbrauch und Emissionen. Das Prinzip der Ökobilanz ist einfach, die Komplexität der Berechnungen rührt von der Komplexität der daran beteiligten Prozesse. Ziel einer solchen Analyse über den gesamten Lebenszyklus ist die Optimierung der Prozesse und die Vergleichbarkeit der verschiedenen Baustoffe oder Konstruktionsarten. Es ist möglich, eine Ökobilanz für ein ganzes Gebäude zu erstellen, in der Praxis wird die Methode aber meist auf der Ebene der Baustoffe oder Bauelemente angewandt.
Die Verschiedenartigkeit der zu bewertenden Grössen bedeutet erheblichen Aufwand. Durch eine einheitliche Werteskala wird versucht, die verschiedenen Effekte vergleichbar zu machen. Alle Emissionen und verbrauchten Ressourcen werden beispielsweise mit sogenannten Umweltbelastungspunkten quantifiziert. Weltweit vernetzte Datenbanken tragen Grundlagendaten zusammen und ermöglichen so die Berechnung komplexer Ökobilanzen. Je umfassender diese Datenbanken werden, desto einfacher können Analysen von Produkten oder ganzen Gebäuden errechnet werden. Die grösste zurzeit existierende Datenbank ist Ecoinvent, eine Not-for-Profit-Organisation, die an der ETH zusammen mit verschiedenen Bundesämtern gegründete Einrichtung sammelt weltweit angelegte Datensätze. Die Daten werden nach einer standardisierten Methode berechnet, um sie für weitere Berechnungen verwenden zu können und ihre Vergleichbarkeit zu gewähren. Die der Ecoinvent-Datenbank zugrundeliegenden Berechnungen sind einsehbar, damit sie überprüft werden können.
Um die Auswirkungen eines Bauwerks über den gesamten Lebenszyklus zu beurteilen, muss eine Annahme von dessen Lebensdauer getroffen werden. Häufig ist es sinnvoll, verschiedene Szenarien bezüglich der Lebensdauer zu erarbeiten. Der Vergleich eines Szenarios von einem Objekt mit einer Lebensdauer von beispielsweise 20 Jahren mit einem anderen mit einer Lebensdauer von 100 Jahren macht die Abhängigkeiten deutlich. Es geht also nicht in erster Linie darum, die genauen Umweltauswirkungen eines Gebäudes zu berechnen, sondern über Variantenvergleiche ein Bauwerk zu optimieren und die geeignete Strategie zu finden.
Graue Energie
Die gesamte Energie, die zur Herstellung inklusive der Gewinnung und Verarbeitung der Rohstoffe und weiteren Bearbeitung, etwa Transport, Lagerung, Verkauf und Recycling, eines Produkts aufgewendet wird, nennt man graue Energie. Das Endprodukt wird zurückverfolgt bis zum Rohstoff und sämtliche im Prozess benötigte Energie wird zu ihrer natürlichen Quelle verfolgt, der sogenannten Primärenergie, beispielsweise Sonnenenergie, Wasserkraft oder Erdöl. Für die Berechnung der grauen Energie eines ganzen Gebäudes wird die graue Energie sämtlicher Bauteile berechnet und entsprechend addiert.
Viele Entscheide in den frühen Phasen des Planungsprozesses haben grosse Auswirkungen auf den Verbrauch an grauer Energie. Zu einem frühen Zeitpunkt ist es noch nicht möglich, genaue Berechnungen anzustellen, deshalb sind Schätzungen wichtig. So sind etwa Holzkonstruktionen im Vergleich zu Beton- oder Stahlkonstruktionen vergleichsweise arm an grauer Energie. Aushubarbeiten verschlingen immer grosse Mengen an Energie, Unterirdische Bauten sind deshalb möglichst klein zu halten. Ab Phase «Projektierung» sind direkte Vergleiche verschiedener Konstruktionen und Baustoffe für die Optimierung der grauen Energie sinnvoll.
Die graue Energie alleine ist beschränkt aussagekräftig, denn manche Bauteile benötigen mehr graue Energie, sparen aber Betriebsenergie. Einige Zentimeter zusätzliche Dämmung verschlingen zwar graue Energie, sie sparen aber während der ganzen Betriebszeit Heizenergie. Durch eine sorgfältige Analyse über den Lebenszyklus des Bauwerks, kann der gesamte Energieverbrauch optimiert werden. Dabei ist eine wichtige Stellschraube die Lebensdauer des Gebäudes, sie ist allerdings mit grossen Unsicherheiten verbunden.
Plattform Ökobilanzdaten im Baubereich
Ökobilanzdaten und der Anteil an grauer Energie von Bauteilen und Baustoffen gewinnen zunehmend an Bedeutung, da Gebäude vermehrt bezüglich ihrer unerwünschten Umwelteinwirkungen optimiert werden. Die Daten werden zu einer wichtigen Entscheidungsgrundlage und somit auch zu einem Verkaufsargument für ein Produkt. Manche Unternehmen berechnen die Ökobilanz für ihre Produkte selber, hier fehlt jedoch die Objektivität. Wenn die Unternehmen ihre Berechnungen nicht offenlegen, können die Daten nicht einmal überprüft werden. Die Koordinationskonferenz der Bau- und Liegenschaftsorgane der öffentlichen Bauherren (KBOB) zusammen mit dem Verein Eco-bau haben deshalb die «Plattform Ökobilanzdaten im Baubereich» initiiert. Ziel der Plattform ist es, unabhängige, repräsentative und produktneutrale Ökobilanzdaten zu erarbeiten und leicht zugänglich zu machen. «Es soll den Anwendern in der Bauwirtschaft eine verlässliche Datengrundlage mit schweizweit repräsentativen und anerkannten Ökobilanzdaten für Baustoffe, Gebäudetechnik, Energiesysteme und Transporte zur Verfügung gestellt werden. Die Daten basieren auf einer einheitlichen Beurteilungsmethodik.» 3 Einsitz in den Verein haben Vertreterinnen und Vertreter von Politik, Forschung, Bauherren-Organisationen und Bauwirtschaft.
Die aus den gesammelten Daten hervorgehenden Empfehlungen der KBOB sind frei verfügbar. Die Resultate bilden zudem die Grundlage für kostenpflichtige Softwareprodukte, wie den elektronischen Bauteilkatalog (www.bauteilkatalog.ch). Häufig werden aber auch nur der Energieteil oder nur die Treibhausgase einer Ökobilanz berücksichtigt, mit dem Vorteil, dass diese Daten eindeutig messbar sind. (Hilfsmittel/Gebäudelabels)