Verstaatlichung
Ein möglicher Weg besteht in der absoluten Kontrolle der Gemeingüter durch den Staat. Hardin nennt dies den sozialistischen Weg: Der Staat erzwingt kollektive Rationalität im Umgang mit den Ressourcen. 1
Dieser Ansatz ruft Probleme hervor, denn die totale Kontrolle der Gemeingüter durch den Staat ist unmöglich. Ein weiteres Problem besteht in mangelndem Wissen der entscheidenden Behörden. Das führt zu möglichen Ungerechtigkeiten durch Unwissen.
Politische Versuche, einen langfristigen nachhaltigen Umgang mit Gemeingütern zu erzwingen, sind begrenzt erfolgreich. Dies gilt genauso für internationale Abkommen zum nachhaltigen Fischfang oder für Abkommen zur Reduktion der Treibhausgasemissionen wie für das Kyoto-Protokoll.
Privatisierung
Eine andere von Hardin beschriebene Möglichkeit ist die Privatisierung der Gemeingüter. Auch sie bringt verschiedene Probleme mit sich:
- Viele Gemeingüter lassen sich nicht verteilen, Fische im Ozean etwa können nicht eingegrenzt werden.
- Mit der Privatisierung wird das Gemeingut zum Verbrauchsgut, das grundsätzlich zur Gewinnmaximierung dient. Die Privatwirtschaft zieht bis heute keine Umweltschäden in ihre Bilanzen mit ein. Der Zeithorizont, der von den Unternehmen berücksichtigt wird, ist oft kürzer als der einer Generation. Um der Umwelt gerecht zu werden, müsste der Betrachtungsperimeter zeitlich ausgedehnt werden. Die negativen Auswirkungen, zum Beispiel von Emissionen, gehen zu Lasten der Allgemeinheit.
- Die Aufteilung in kleine Einheiten schafft grössere Risiken für die Einzelnen. Durch einen Zusammenschluss wird das Risiko auf viele verteilt.
Privatisierung ist kein generelles Rezept für einen nachhaltigen Umgang mit Ressourcen.
Gesellschaftlicher Weg: Allmende
Der dritte Weg existiert bereits. Es handelt sich um keinen rein konzeptionellen Ansatz, wie man das vom planwirtschaftlichen und auch vom marktwirtschaftlichen Weg behaupten kann. Elinor Ostrom analysierte den nachhaltigen Umgang mit Ressourcen in kleinen Gemeinschaften auf allen Kontinenten. Ostrom zeigt anhand von Fallbeispielen auf, dass wir in der Lage sind, uns der «Tragödie der Gemeingüter» zu widersetzen. Die jüngsten der von ihr untersuchten Gemeinschaften sind einhundert, die ältesten über tauend Jahre alt. Es handelt sich also um im wortwörtlichen Sinne «nachhaltige» Organisationsformen.
Eines ihrer zahlreichen Fallbeispiele sind die Schweizer Alpgenossenschaften: Sie bewirtschaften seit Jahrhunderten beschränkt vorhandene Ressourcen auf nachhaltige Art und Weise. Die steile Landschaft mit unterschiedlichen Höhenlagen limitiert die Art der Bepflanzung und Bebauung. Demzufolge können solche Allmenden zum Beispiel nur von einer begrenzten Anzahl Kühen beweidet werden. Die Alpgenossenschaft regelt die nachhaltige Bewirtschaftung der Allmende, bei Regelverstößen erteilt sie Strafen. 2
Ostrom erkennt in solchen gesellschaftlichen Organisationsformen sieben gemeinsame Regeln:
- Klar definierte Grenzen, wirksamer Ausschluss von externen Nichtberechtigten,
- Anpassen der Regeln zur Aneignung und Bereitstellung der Gemeingüter an die lokalen Bedingungen,
- Arrangements für kollektive Entscheidungen: Betroffene der operativen Regeln können über diese mitentscheiden,
- Überwachung,
- Mitverantwortung von allen Beteiligten,
- Abgestufte Sanktionen,
- Konfliktlösungsmechanismen: Konflikte unbürokratisch regeln,
- Minimale Anerkennung des Organisationsrechts: Das Recht der Aneigner und Aneignerinnen, ihre eigenen Institutionen zu entwickeln, wird von keiner externen staatlichen Behörde infrage gestellt. 3
Die von Ostrom aufgeführten Beispiele haben einen längeren Betrachtungshorizont als rein privatwirtschaftliche Unternehmen. Der Umgang mit Gemeingütern findet über Generationen statt, entsprechend amortisieren sich Investitionen über Generationen. Schäden, die dem klar begrenzten Ökosystem zugeführt werden, beeinflussen die Gemeinschaft direkt. Eine kurzfristige Gewinnmaximierung mit langfristig negativen ökologischen Folgen ist darum in solchen Systemen ausgeschlossen.
Auf diese Art und Weise realisieren gemeinschaftliche Organisationen eine Deckung ihrer Bedürfnisse, «ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden». Sie realisieren damit die wichtigste Zielstellung der Nachhaltigkeit aus dem Brundtland-Bericht.
Bedeutung der Allmende für die heutige Zeit
Viele der Beispiele, die Elinor Ostrom aufführt, sind historisch. Gesellschaften, die über Generationen in einem räumlich klar begrenzten Kontext leben und arbeiten, gibt es immer weniger. Deshalb stellt sich die Frage, wie die Idee eines gesellschaftlichen Wegs in der heutigen «Global City» umgesetzt werden kann. Wesentlich ist dabei aber, dass die erwähnten Grenzen sich weniger auf das Territorium als auf das System beziehen. Eine Adaption der von Ostrom untersuchten Strukturen in die heutige Zeit ist möglich und geschieht durchaus.
Wir sehen direkte Parallelen zwischen den von Elinor Ostrom untersuchten Gemeinschaften und den Wohngenossenschaften. (siehe auch: Bauherr/in Auftraggeber/-in). Auch sie stellen einen interessanten Ansatz der nachhaltigen Organisation dar. Das Gut Boden und Wohnraum wird von einer begrenzten Gemeinschaft genutzt und verwaltet.
Die Wohngenossenschaft nutzt Synergien im Raumgebrauch und legt eine Mindestbelegung der Wohnungen fest. Die Genossenschaft behauptet sich in der Wirtschaft, hat aber die Möglichkeit einen grösseren Betrachtungsperimeter aufzustellen und Aspekte der Nachhaltigkeit zum Thema zu machen.
Ostrom’s Idee der Commons ist wie der Begriff der Nachhaltigkeit zum Modebegriff, zum Verkaufs- und Life-Style-Schlagwort geworden. Die Theorie leistet jedoch einen wesentlichen Beitrag im Nachdenken über Nachhaltigkeit. Sie macht deutlich, dass Nachhaltigkeit nicht nur ein rechnerisches oder idealistisches Ziel ist, sondern auch Organisationsformen fordert, ohne die die erforderlichen Veränderungen nicht erwirkt werden können. Abgesehen von den Wohngenossenschaften bleibt die Frage in weiten Strecken offen, wie Commons heute eine sinnvolle Anwendung finden können.