Strategie und Kompetenz
Es ist grundlegend, dass Architekten die Akquisitionsfelder, also die gesellschaftlichen, städtebaulichen, politischen und wirtschaftlichen Tendenzen innerhalb ihres Kulturkreises und im Allgemeinen, kennen und deren Potenziale nutzen können. Die Beurteilung der eigenen Interessen und Kompetenzen ermöglicht eine gezielte Akquise. Dabei ist es wesentlich, auch die eigenen Kapazitäten und benötigten Ressourcen einschätzen zu können. Architektinnen können sich in einem kulturellen und wirtschaftlichen Raum verorten, wo sie daraufhin gezielt ein Netzwerk aufbauen und pflegen. Dieses kann weitere unterschiedliche Perspektiven der Akquise eröffnen.
Wir sehen die Handlungskompetenz als Summe von Fach-, Selbst- und Sozialkompetenz. Kompetenzen sind Fähigkeiten. Unter Fachkompetenz ist die Fähigkeit zu verstehen, Aufgaben der eigenen Disziplin bewältigen zu können. Dabei sind sowohl die gelernte Theorie als auch die erfahrene Praxis von Wichtigkeit, um Zusammenhänge erkennen und Sachverhalte selbstständig und zielgerichtet lösen zu können. Weiter ist unter Selbstkompetenz die Fähigkeit zu verstehen, Verantwortung zu übernehmen. Dazu bedarf es in einem iterativen Prozess, das eigene Wissen und Können in Bezug auf Selbstständigkeit, Kritikfähigkeit und Selbstvertrauen zu analysieren und zu schärfen, um durch Zuverlässigkeit eigene Wertvorstellungen entwickeln zu können. Zuletzt ist die Sozialkompetenz als Fähigkeit zu begreifen, andere zu verstehen sowie sich ihnen gegenüber situationsangemessen und klug zu verhalten.
Beweggründe für eine Eigeninitiative
Es gibt verschiedene Gründe, weshalb Architekten aus eigener Initiative Projekte entwickeln. Im Folgenden werden mögliche Beweggründe aufgeführt:
- Eine eigene Vision verfolgen, ohne dabei die Auftraggebenden von der Idee überzeugen zu müssen,
- Ein Projekt als persönliche Herausforderung und Forschungsobjekt sehen,
- Wahrnehmen einer gesellschaftlichen Verantwortung, beispielsweise in Form einer städtebaulichen Studie in einem wenig lukrativen Gebiet oder in Form gesellschaftlich-sozialer Aufgabenbereiche,
- Ein Projekt aus Marketingüberlegungen erarbeiten und sich in das Blickfeld der öffentlichen Wahrnehmung setzen,
- Entwicklung von Modulhäusern, die an beliebigen Standorten aufgebaut werden können,
- Ephemere Bauwerke im kulturellen Bereich entwerfen, für die erst mit einem konkret geplanten Projekt Sponsoren gesucht werden können.
Die Projektentwicklung auf eigene Initiative soll nicht als Notfallplan bei fehlenden Aufträgen gesehen werden, sondern sie kann im Gegenteil dazu dienen, visionäre Ideen zu entwickeln, die auf anderem Weg nicht umgesetzt würden.
Projektentwicklung
Die eigenständige Projektentwicklung kann als Leistung die Planung, die Vermarktung und die Realisierung eines eigenen Projekts beinhalten. Das ökonomische Risiko tragen dabei die Projektentwicklerinnen weitgehend selbst. Während des Planungs- und Bauprozesses sind sie für die Einhaltung der selbst gesetzten, in der Regel marktorientierten Ziele, wie Qualität, Kosten- und Zeitrahmen verantwortlich.
Bei der Vermarktung muss der Beweis erbracht werden, dass das Projekt auf einer breit angelegten ökonomischen Basis steht und mit Sicherheit realisiert werden kann. Der Behauptung der Planenden folgt also eine Beweislegung für die Investorin. Hierfür sind sowohl die architektonisch-städtebaulichen und technischen als auch die wirtschaftlichen und juristischen Rahmenbedingungen umfassend zu evaluieren. Die Ausrichtung des potenziellen Projekts auf eine klar definierte Zielgruppe respektive Zielgruppen ist dabei hilfreich, da deren Eingrenzung sowie die Beurteilung ihrer Bedürfnisse bei der Projektentwicklung wesentlich zum Erfolg beitragen können.
Chancen und Risiken
Ein Vorteil des Auftrags auf eigene Initiative ist die grosse entwerferische Freiheit, da es keine Auftraggebende gibt, die spezifische Bedürfnisse und Erwartungen haben. Die Architektinnen können das Raumprogramm den Gegebenheiten des Ortes anpassen und die Anforderungen selbst definieren. Insbesondere hinsichtlich Projektorganisation und Projektmanagement haben die Architekten im Planungs- und Bauprozess grössere Einflussmöglichkeiten im Vergleich zu anderen Akquisitionsmethoden.
Weil in der Regel keine weiteren Investoren oder zusätzlichen Entwickler beteiligt sind – und notabene mitverdienen –, sollte ein Auftrag auf eigene Initiative neben dem üblichen Honorar der Planenden eine zusätzliche Rendite aufweisen, um Gefahren bewirtschaften zu können. Es ist auch zu bedenken, dass in diesem Fall sämtliche Leistungen vom Initiant erbracht werden müssen, wie etwa die Investitionsleistungen oder die Klärungen vorab. So entsteht durch die eigene Projektenwicklung insbesondere in den frühen Projektphasen zusätzlicher Aufwand.
Ein wesentlicher Nachteil dieses Verfahrens ist das hohe finanzielle Risiko, das den üblichen Rahmen eines Planungsbüros übersteigt. Üblicherweise wird dieses von finanzkräftigen Investoren getragen; im Falle der Eigeninitiative übernehmen die Planenden dieses Risiko. Damit treten sie in Konkurrenz zu Entwicklerinnen, die sich auf dieses Gebiet spezialisiert haben. Wirtschaftlich ist ein Projekt nicht restlos planbar. Verzögerungen im Projektablauf, mögliche Rekurse oder mangelnder Verkaufserfolg können die Kosten markant in die Höhe treiben.
Eine weitere Herausforderung bei einem Projekt in Eigeninitiative ergibt sich aus der Doppelrolle der Architekten als Auftraggebende und Auftragnehmende zugleich. Problematisch daran ist das Fehlen einer wechselseitigen Kontrolle, die bei Fehlerquellen relevant wird. Als Auftraggebende benötigen die Architektinnen des Weiteren zusätzliche Kenntnisse für diese Rolle, auch in ungeübten Feldern wie Vermarktung und Verkauf.
Die Abwägung dieser Vor- und Nachteile ist wichtig, bevor in ein selbst initiiertes Projekt nicht nur Arbeit investiert wird. Der Entscheid, sich mit einem Projekt zu beschäftigen, ohne dass ein Auftrag vorliegt, kann natürlich auch davon beeinflusst werden, wie die Auftragslage ist. Ein Unternehmen mit leeren Auftragsbüchern ist mitunter zu mehr Risikobereitschaft gezwungen.