Definition
Der Ansatz der Suffizienz sucht Lösungen für Umweltprobleme beim Verhalten des Konsumenten. Freiwillige Anpassungen der Gewohnheiten der Menschen sollen helfen, Ressourcen zu sparen und Emissionen zu verringern. Um den einzelnen Personen die Auswirkungen ihres Verhaltens aufzuzeigen, werden auf das einzelne Individuum bezogene Berechnungen vorgenommen.
Massnahmen
Massnahmen sind in folgenden Bereichen möglich:
- Bauen und Wohnen: zum Beispiel Reduktion der Raumtemperatur, Reduktion der Wohnfläche, 1
- Mobilität: zum Beispiel Bevorzugung der öffentlichen Verkehrsmittel und des Fahrrads. 2
- Konsum- und Freizeitverhalten: zum Beispiel Verlagerung der Urlaubsziele in die Region,
- Ernährung: zum Beispiel Einschränkung des Alkohol-, Kaffee-, Fleisch- und Fischkonsums, 3
Viele dieser Massnahmen können Planende nur bedingt beeinflussen, die Punkte Bauen, Wohnen und Mobilität hingegen schon. In der Schweiz ist die Wohnfläche pro Person in den letzten Jahrzehnten stetig angestiegen, von durchschnittlich 34 m2 pro Kopf im Jahr 1980 auf 45 m2 im Jahr 2016. 4 Um das Verhalten der Menschen beim Wohnen zu ändern, sind angepasste Wohnungsgrundrisse zu entwickeln, die knappe Wohnflächen zulassen und dennoch heutigen Ansprüchen genügen. Eine andere Strategie, die bereits vor allem von Genossenschaften verfolgt wird, ist die Umlagerung von privater Fläche auf gemeinschaftliche Fläche. So können beispielsweise mietbare Gästezimmer ermöglichen, dass auf das private Gästezimmer innerhalb der Wohnung verzichtet wird. Viele Genossenschaften kennen bereits Vorschriften für eine Mindestbelegung der Wohnungen. Häufig lautet die Regelung, eine Wohnung darf nur ein Zimmer mehr als die Anzahl Bewohner und Bewohnerinnen haben.
Exemplarische Wohnungen mit der typischen Personenbelegung
Um die persönliche Mobilität zu optimieren, werden Anpassungen auf der Ebene der Stadtplanung notwendig. Dicht bebaute Gebiete erlauben eine bessere Anbindung an den öffentlichen Verkehr; und ein ausgebautes Radwegenetz fördert den Ausstieg aus dem motorisierten Privatverkehr.
Die Rolle der Planenden sehen wir darin, Möglichkeiten und Anreize zu schaffen, um persönliche Einschränkungen zu erleichtern und im Gegenzug eine geringe Einbusse an Komfort in Kauf zu nehmen.
Vision «2000-Watt-Gesellschaft»
Die Vision der 2000-Watt-Gesellschaft wurde in den 1990er Jahren an der ETH entwickelt. Man berechnete, dass 1990 der durchschnittliche Energieverbrauch pro Mensch ausgedrückt als Dauerleistung weltweit rund 2000 Watt betrug. Die Unterschiede zwischen den Ländern sind jedoch erheblich: Während eine Person in den Entwicklungsländern einige hundert Watt verbraucht, benötigen wir in der Schweiz derzeit (2016) durchschnittlich rund 5000 Watt, ohne die in Importprodukten gespeicherte graue Energie zu berücksichtigen. Das Modell der 2000-Watt-Gesellschaft strebt eine global gerechte Verteilung des Energieverbrauchs an. Untersuchungen ergaben, dass ebendiese Menge an Energie langfristig nachhaltig auf längere Zeit bereitgestellt werden kann. Um die Herausforderung der Klimaerwärmung anzugehen, sind von den genannten 2000 Watt höchstens rund ein Viertel mit fossilen Energiequellen zu decken. Dies entspricht einem CO2-Ausstoss pro Kopf von einer Tonne pro Jahr. Langfristiges Ziel ist es, den Energieverbrauch einer Dauerleistung von 2000 Watt pro Person zu erreichen und gleichzeitig maximal eine Tonne CO2 pro Jahr zu emittieren.
Absenkpfad der 2000-Watt-Gesellschaft 5
Gegenüber der Umsetzung einer Klimapolitik, die bis anhin in der Verantwortung der Regierungen lag, stellt die 2000-Watt-Gesellschaft einen Paradigmenwechsel dar. Das Individuum wird mit in die Verantwortung genommen, indem die Abhängigkeiten des persönlichen Verhaltens zum Energieverbrauch und zu den CO2-Emissionen aufgezeigt werden. Die Ziele der 2000-Watt-Gesellschaft können durch Anpassungen der Bauten, Anlagen und Fahrzeuge, aber auch durch Änderungen der persönlichen Gewohnheiten erreicht werden. Als Zwischenziel wird angestrebt, bis zum Jahr 2050 die Dauerleistung auf 3500 Watt zu reduzieren und schliesslich bis 2100 die 2000-Watt-Schwelle zu erreichen.
Das Konzept der 2000-Watt-Gesellschaft wird von Energie-Schweiz (www.energieschweiz.ch) gefördert, die Plattform, die vom Bundesamt für Energie ins Leben gerufen wurde, um das Erreichen der Energiestrategie 2050 zu unterstützen.
Das SIA-Merkblatt 2040 «Effizienzpfad Energie» definiert die Ziel- und Richtwerte für den Primärenergiebedarf und die Treibhausgasemissionen gemäss der 2000-Watt-Gesellschaft. Es gibt die Möglichkeit, ganze Areale bezüglich des Einhaltens der Richtlinien der 2000-Watt-Gesellschaft zu zertifizieren. Dabei wird im Gegensatz zu einem Gebäudelabel nicht bloss die Bauqualität beurteilt, sondern auch die Dichte, die Durchmischung von Nutzungen und die Mobilität. Die Betrachtung über mehrere Gebäude ermöglicht ausserdem den Einbezug von kreativen Gesamtlösungen wie beispielsweise Energienetzen.
Im Jahr 2010 veröffentlichte das Departement Architektur der ETH Zürich ein Positionspapier unter dem Titel «Towards Zero-Emissions Architecture». Darin wurde gefordert, bei Neubauten ausschliesslich auf die Treibhausgasemissionen zu fokussieren. Energie ist grundsätzlich im Überfluss aus erneuerbaren Quellen vorhanden, weshalb die Reduktion auf 2000 Watt pro Person wenig sinnvoll sei. Wenn ein Gebäude nur die Bedingung der Emissionsfreiheit zu erfüllen hätte, würden die Möglichkeiten, dies zu erreichen, und somit die entwerferischen Freiheiten entscheidend zunehmen. 6 Der Verzicht auf Verbesserung der Energieeffizienz ist in den Augen Fachstelle 2000-Watt-Gesellschaft aber nicht mit den Zielen einer nachhaltigen Entwicklung zu vereinbaren. 7