Bestand und Ressourcenbindung
Gebäude zu erstellen, ist ein ressourcenintensiver Prozess. Zu den Ressourcen zählt neben den Rohstoffen der Baumaterialien auch die benötigte Energie. Letztere wird für den Bau, den Betrieb und den Abbruch der Baute gebraucht. Die Baumaterialien sind für den Zeitraum des Bestehens des Gebäudes gebunden, können aber nur zu einem Teil nach dem Abbruch wiederverwendet werden. Damit rückt bei Nutzungsanpassungen und Verdichtungen die Frage der Wiederverwendbarkeit in den Vordergrund. Das System Stadt hat vom Mittelalter bis in die Neuzeit bewiesen, diese Argumente aufzunehmen und das Weiterbauen jeweils gepflegt und einzelnen Städten damit einzigartige Identitäten vermittelt. Häufig sind es ökonomische, technische oder baujuristische Anforderungen, die für einen Gebäudeersatz sprechen. Eine qualitative Auslegeordnung und Potenzialanalyse des Bestands wird manchmal zu schnell verworfen. Neben den erwähnten messbaren Kriterien sind es oft schwer zu beurteilende qualitative Aspekte wie beispielsweise die Identität eines Gebäudes.
Flexible Strukturen vermeiden Obsoleszenz
Obsoleszenz bedeutet, dass etwas veraltet, abgenutzt, nicht mehr gebräuchlich oder aus der Mode gekommen ist. Um Ressourcen zu schonen, ist es sinnvoll, Obsoleszenz bei Bauten weitgehend zu verhindern. Wie kann man Langfristigkeit fördern? Es gibt kein allgemeingültiges Rezept dafür, wohl aber strategische Prinzipien. Eine Baustruktur soll nicht nur auf die geplante Nutzung optimiert sein, sondern vor allem Möglichkeiten zulassen können, also flexibel sein. Die Bedürfnisse, die an ein Bauwerk gestellt werden, können sich sehr schnell ändern. Es werden neue Erwartungen an Komfort gestellt, Raumaufteilungen sollen angepasst werden, zusätzliche oder andere Infrastrukturen sollen eingebaut werden und so weiter. Die Anforderungen ändern sich meist schneller, als ein Bauwerk altert. Dies gilt es bereits in frühen Projektphasen, wie in der des Entwurfs, zu berücksichtigen.
Struktur
Rhythmisch klar und einfach angelegte Tragwerke können auf zukünftige Raumbedürfnisse mit wenig Aufwand angepasst werden. Ein Minimum tragender Strukturen erleichtert spätere Anpassungen und Änderungen des Grundrisslayouts.
Systemtrennung
Systemtrennung bei der Gebäudetechnik erleichtert den Zugriff während des Unterhalts und ermöglicht den Ersatz von einzelnen Komponenten bei späteren Anpassungen. Wir unterscheiden zwischen dem Primär-, Sekundär- und Tertiärsystem. Das Primärsystem umfasst die Tragstruktur und Erschliessung, also Bauteile, die eine sehr lange Lebensdauer aufweisen. Zum Sekundärsystem zählen der Bodenaufbau, nicht tragende Innenwände, die Gebäudehülle und feste Installationen mit einer erwarteten Lebensdauer von rund 20 bis 35 Jahren. Bauteile mit einer kurzen Nutzungsdauer von 5 bis 20 Jahren gehören zum Tertiärsystem, es sind dies namentlich etwa Boden- und Wandbeläge und Komponenten der Gebäudetechnik. Im Zuge von Anpassungen oder Erneuerungen werden Teile des Tertiär- und Sekundärsystems ausgewechselt, während das Primärsystem in der Regel weiterverwendet wird.
Bei der Systemtrennung werden die verschiedenen Komponenten mit lösbaren, rein mechanischen Befestigungen montiert. Der Austausch von einem Bauteil beeinflusst so andere Bauteile nur in geringem Ausmass. Oft wird beispielsweise die horizontale Verteilung der Medien in die Betonplatte integriert – die Systemtrennung ist dabei nicht gewährleistet. Horizontale und vertikale Verteilnetze der Medienstränge sollten einfach zugänglich sein. Technikräume sind so zu positionieren und zu gestalten, dass der Ersatz von grossen Geräten, beispielsweise für die Lüftung, ohne bauliche Massnahmen erfolgt.
Reserve
Massvolle Reserven können helfen, spätere Anpassungen aufzunehmen. Einige Beispiele:
- Raumhöhen nicht minimieren. Eine Überhöhe kann Platz bieten für technisches Nachrüsten oder Nutzungsänderungen.
- Tragwerke nicht minimal bemessen, um spätere Änderungen, Aufstockungen und Nutzungsanpassungen aufzunehmen.
- Reserven beim Erstellen von Medien-Verteilsträngen erleichtern zukünftige zusätzliche Leitungsaufnahmen.
Systembauweise
Bei der Systembauweise handelt es sich um eine vor Ort gefügte Assemblage von in einem Werk vorgefertigten Bauteilen oder Modulen. Die Integration von Gebäudetechnik-Installationen kann zur Beschleunigung des Montageprozesses helfen. Wir empfehlen die Systemtrennung der Gewerke, um eine spätere Zugänglichkeit bei der Behebung von Mängeln sowie während des Betriebs zu erleichtern. Des Weiteren fördert die Systembauweise das Prinzip der Leichtbauweise, da Gewicht und die verbaute Masse eine entscheidende Rolle im Bauprozess spielen.
Ephemere Bauten
Wird ein Bauwerk explizit für eine kurze Zeitdauer erstellt, ist diese Anforderung zu berücksichtigen und es sind dementsprechend andere Planungs- und Produktionsstrategien anzuwenden. Bei Bauten, die für eine kurze Zeit errichtet werden, spielt die Betriebsenergie im Verhältnis zur Produktion eine kleinere Rolle.
Modulbauweise
Die Verwendung von vorgefertigten Modulen fördert den schnellen Auf- und vereinfacht den gesonderten Rückbau. Dabei bleiben die während der Erstellung verarbeiteten Ressourcen in den jeweiligen wiederverwendbaren Modulen gebunden und nur die Montage- und Demontageenergien gehen verloren. Logistische Überlegungen setzen der maximalen Grösse der Module Grenzen.
Der Anstoss für die obengenannten Konzepte kommt meist aus logistischen, ökonomischen und terminlichen Gründen. Die Umsetzung verlangt nach ganzheitlichen und disziplinübergreifenden Lösungsansätzen und betrifft die gemeinsame Kompetenzausübung von Architektinnen und Ingenieuren.
Kulturelle Werte
Gesellschaftliche Vorlieben ändern sich im Laufe der Zeit, wogegen Gebäude kurzfristige Trends und Ansprüche überdauern sollen. Auch das Alterungsverhalten der eingesetzten Baumaterialien und deren Pflege spielen dabei eine wesentliche Rolle (siehe auch: Bauwerkserhaltung). Nicht selten wird ein Objekt ersetzt, weil es nicht mehr zeitgemäss ist. Menschen verbinden ihre gewachsene und gebaute Umgebung oft mit Erinnerungen und diese wird damit Teil des kollektiven Gedächtnisses. Die gesellschaftliche Identifikation mit Gebäuden im Stadtraum ist breiter abgestützt als vermutet, ein unüberlegter Abriss kann selbst zu gesellschaftlichen Konflikten führen. Kulturelle Werte bewegen und beeinflussen Gesellschaften oft mehr als messbare Kriterien.
Eine entscheidende Rolle im Umgang mit einem Bauwerk spielen die Eigentümerschaft und das Prinzip der Verwaltung. Formen der Partizipation helfen massgeblich, die Identifikation der Nutzerinnen mit dem Haus zu stärken. Wenn Nutzer die Möglichkeit der Aneignung eines Gebäudes haben, steigert das ihren Bezug zu diesem und ihre Akzeptanz. Dieser Effekt zeigt sich besonders deutlich, wenn Nutzer zugleich die Eigentümerinnen sind, beispielsweise in einer Genossenschaft (Allmende).
Selbst politische Strukturen beeinflussen die Dauerhaftigkeit von Bauten bisweilen. Die Akteurinnen und Akteure in einem unsicheren politischen System handeln kurzfristiger und ihre Bereitschaft auf einen langen Zeithorizont finanzielle Mittel zur Pflege und Unterhalt bereitzustellen ist verhalten. Im Gegensatz dazu fördert ein stabiles System Entscheide mit Weitsicht.