Wirtschaftliches Umfeld der Planenden
Die Bauwirtschaft stellt in der Schweiz beinahe jeden zwölften Arbeitsplatz und setzte im Jahr 2016 circa 34 Milliarden Schweizer Franken 1 um. Etwa die gleiche Summe wurde in der gleichen Zeit auch im Immobiliensektor umgesetzt, dies jedoch mit einem Bruchteil der Beschäftigen, die in Planungs- und Baubetrieben arbeiten.
Beinahe 60 % 2 aller Hochbau-Bauvorhaben in der Stadt Zürich wurden 2015 von privaten oder juristischen Personen in Auftrag gegeben. Da deren Investitionsgedanke mehrheitlich von ökonomischen Aspekten motiviert war, können wir diese Bauten als Renditeobjekte bezeichnen. Fragen der Bauökonomie stellen sich aber nicht nur im grossmassstäblichen Rahmen. Gerade Bauherrschaften, die für den Eigennutz kleinmassstäbliche Objekte realisieren, unterhalten enge Budgets und haften am Ende mit ihrem Privatvermögen für ihr Vorhaben. Deshalb stellt das Wissen um Baukosten und deren Einfluss auf die Immobilienökonomie eine Grundlage für die am Bau Beteiligten dar und Baukostenermittlung wie auch Fragen der Honorierung stehen im Zentrum unserer bauwirtschaftlichen Betrachtung. Diese beeinflussen sämtliche Prozessschritte von der ersten Intention bis zur langfristigen Bewirtschaftung. Daneben stehen immobilienwirtschaftliche Anliegen, die den monetären Erfolg eines Bauvorhabens bemessen und deshalb stark an die Frage der Rendite gekoppelt sind. Aus diesem Grund untersuchen wir auch alternative Entwicklungs- und Betriebsmodelle wie beispielsweise genossenschaftliche Modelle. Im Zentrum der Betrachtungen steht jeweils die Motivation einer Bauherrschaft, die ihr Handeln gerade in Bezug auf den wirtschaftlichen Ansatz steuert. Ist ein langfristiges Denken die Basis der Überlegung, stehen oft Anliegen der Qualität im Vordergrund. Wird das Handeln von kurzfristigen Überlegungen geleitet und die Bauherrschaft erstellt und veräussert in einem Zug, stehen Rendite und Gewinn im Vordergrund. Diese Sichtweisen interessieren uns, denn als Architektinnen und Architekten haben wir das Denken und Handeln unserer Bauherrschaft gesellschaftlich zu vertreten.
Für die Planenden stehen drei Wirtschaftsbereiche im Vordergrund:
Baugewerbe und Bauwirtschaft
Rund um das Bauen sind unterschiedliche Terminologien gebräuchlich, etwa Baubranche, Bausektor, Bauwesen oder Bauwirtschaft. Ein Grossteil dieser Bezeichnungen ist wissenschaftlich nicht eindeutig definiert. Der Begriff Baugewerbe grenzt sich von diesen ab, er ist für wissenschaftliche Statistiken gebräuchlich. Das Bauen gehört volkswirtschaftlich zum produzierenden und verarbeitenden Gewerbe. Es zählt daher in den Beschäftigungsstatistiken des Bundesamtes für Statistik (BFS) zum sekundären Sektor und wird unter dem NOGA-Code F «Baugewerbe/Bau» klassifiziert: «Das Baugewerbe wird unterteilt in Hochbau, Tiefbau und Vorbereitende Baustellenarbeiten, Bauinstallationen und sonstiges Ausbaugewerbe. Dazu zählen Neubau, Instandsetzung, An- und Umbau, die Errichtung von vorgefertigten Gebäuden oder Bauwerken auf dem Baugelände sowie provisorischer Bauten» 3 – also Hoch-, Tief- und Strassenbau.
Der Begriff Bauwirtschaft ist kein eindeutig definierter Begriff. Er hat sich im allgemeinen Sprachgebrauch für den Wirtschaftszweig der Planungs- und Ausführungsleistungen etabliert und hat somit einen weiteren und allgemeineren Charakter im Vergleich zum klar definierten Begriff Baugewerbe. Mit dem breiter gefassten Begriff Bauwirtschaft bezeichnen wir alle Tätigkeiten, die mit dem Planungs- und Bauprozess zu tun haben. Er umfasst also auch die Wertschöpfung des Planungssektors, insbesondere der Architekturschaffenden.
Projektierungssektor
Die Dienstleitungen der Planenden werden statistisch dem dritten Sektor zugeordnet, also nicht zum Baugewerbe gezählt. Sie werden im NOGA-Code M «Erbringung von freiberuflichen, wissenschaftlichen und technischen Dienstleitungen» folgendermassen beschrieben: «Dieser Abschnitt umfasst bestimmte freiberufliche, wissenschaftliche und technische Tätigkeiten. Diese Tätigkeiten erfordern ein hohes Mass an Ausbildung und sie stellen den Nutzern Fachkenntnisse und Erfahrungen zur Verfügung.» 4 Tätigkeiten der Architekten, wie das Ausarbeiten von Entwürfen, Bauaufsicht, Vermessungen und Kartierungen fallen in diese Gruppe. Im Schweizer Projektierungssektor sind für das Jahr 2015 knapp 26’000 Unternehmen gemeldet, mit rund 130’000 Erwerbstätigen, von denen 50’000 in Architekturbüros angestellt sind. 5 Mehr als die Hälfte dieser Architekturbüros sind KMUs, also mit 1 bis 9 Mitarbeitern pro Betrieb.
Immobilienmarkt
Die Tätigkeiten des Immobilienmarkts sind wie das Baugewerbe im sekundären Sektor kategorisiert (NOGA-Code L «Grundstücks- und Wohnungswesen»). Dieser Wirtschaftszweig umfasst hauptsächlich die Dienstleistungen der Vermieter und Makler.
Beteiligte
Verschiedene Akteure beeinflussen den Umfang der Bauinvestitionen (Hoch-, Tiefbau, Infrastruktur etc.) aktiv. In der Bauwirtschaft sowie im Immobilienmarkt finden sich auf der Seite der Nachfrage die Investoren respektive die Auftraggebenden, auf der Angebotsseite die Entwickelnden wie beispielsweise die Planenden. Ihre jeweiligen Interessen und ihr Aufgabenverständnis werden durch ihr charakteristisches Handeln bestimmt. Man unterscheidet zwischen privaten und öffentlichen Auftraggebenden. Banken, Pensionskassen, Versicherungen, Immobiliengesellschaften, Genossenschaften und auch die öffentliche Hand gehören zu den professionellen Auftraggebenden. Privatpersonen oder private Firmen können sowohl professionelle als auch Investoren ohne Fachwissen sein.
Einflüsse auf den Markt
Exakte Aussagen zum zukünftigen Konjunkturverlauf sind schwer möglich, da für die Auf- und Abwärtsbewegungen der Bauwirtschaft und des Immobilienmarktes zahlreiche globale und lokale Umstände sowie exogene (von aussen kommende) und endogene (bauspezifische) Einflüsse ausschlaggebend sind. Die Konjunktur der Bauwirtschaft lässt sich in gewissen Grenzen steuern und beeinflussen, beispielsweise durch staatliche Investitionen in den Tiefbau und in Infrastruktur. Von den Multiplikatoreffekten der Bauwirtschaft profitiert in besonders hohem Masse auch die Gesamtwirtschaft. Um als Planende die gesamtheitlichen Mechanismen der Baubranche zu verstehen, sollten Bauwirtschaft und Immobilienmarkt nicht getrennt betrachtet werden, da die Entwicklung beider Wirtschaftszweige in gegenseitiger Wechselwirkung stehen.
Politik – Gesetzliche Rahmenbedingungen
Der Staat nimmt durch vielfältige Mittel Einfluss auf den Immobilienmarkt. Einerseits werden durch Gesetzgebungen, etwa die Lex Koller, Regulatoren erschaffen oder durch die Personenfreizügigkeit mit der EU die Nachfrageseite gestärkt, andererseits fördert der Staat den Erwerb von Wohneigentum indirekt durch staatliche Subventionierungen für Eigenheimbesitzer, durch die Möglichkeit der steuerlichen Geltendmachung von Schuldzinsen beim Kauf von Wohneigentum und durch die Förderung von energetischen Sanierungen (beispielsweise durch den «Klimarappen»). Ausserdem können werterhaltende Investitionen von den Steuern abgezogen und Vorsorgegelder für den Hauskauf eingesetzt werden. So werden pro Jahr ca. 2,6 Mia. CHF 6 als Vorbezüge der 2. Säule für die Finanzierung von Wohneigentum eingesetzt.
Politik – Währungspolitik
Das Beispiel «Franken-Schock» war eindrücklich: Die Koppelung des Schweizer Frankens an den Euro in Form eines Mindestkurses von CHF 1,20 wurde im Januar 2015 aufgehoben. Der Sprung des Frankens nach oben durchschüttelte den gesamten Schweizer Wirtschaftsraum. Diese geldpolitische Massnahme der Nationalbank wirkte sich unmittelbar auf den Bau- und Immobiliensektor aus. Aufgrund des starken Frankens wurden (Bau-)Importe aus dem EU-Raum günstiger, Preise für Hypotheken sanken, die Immobilienpreise gerieten unter Druck und Eigentumswohnungen wurden günstiger. In der Folge sanken die Mieten oder ihr weiterer Anstieg wurde gedämpft. 7
Politik – Eigenkapitalrichtlinien
Die Vorschrift des Basler Bankenausschusses über die Eigenkapitalanteile der Banken (Basel III) aus dem Jahr 2014 schrieb einen höheren Anteil an Eigenkapital der Banken vor. Auslöser für die Anpassung der Richtlinien war die Finanzkrise im Jahr 2009. Ziel der Reform war eine Stärkung der Risikodeckung und Behebung der Schwächen der bisherigen Bankenregulierung aus dem Jahre 2007 (Basel II). In der Folge wurde der höhere Anteil an die Hypothekarnehmer weitergegeben, die seither höhere Eigenkapitalanteile für den Abschluss einer Hypothek benötigen.
Wirtschaftliche Aspekte – Allgemeine Konjunktur
Die Konjunktur der gesamten Volkswirtschaft wirkt sich auch auf die Entwicklung des Immobilienmarktes und in der Folge der Bauwirtschaft aus. Durch die relativ langen Planungs- und Realisierungsphasen in der Bauwirtschaft liegen Intention und Ausführung von Bauprojekten zeitlich teilweise weit auseinander. Dementsprechend reagiert die Bauwirtschaft mit Verzögerung auf die Gesamtkonjunktur. Der Begriff Schweinezyklus wird für diesen Sachverhalt verwendet, da ein ähnlicher Effekt in der Landwirtschaft zu beobachten ist. So folgte die Immobilienkonjunktur der Gesamtkonjunktur in der Vergangenheit mit einem zeitlichen Abstand von zwei bis fünf Jahren. 8
Wirtschaftliche Aspekte – Hypothekarzinsverlauf
Der Hypothekarzins ist die Achillesferse des Immobilienmarktes. Die Zinssensitivität des Immobilienmarktes ist, vor allem bei tiefem Zinsniveaus, sehr hoch. Tiefe Hypothekarzinsen von unter 2 % 9 führten in den Jahren von 2008 bis heute zu einer regen Tätigkeit im Wohnungsbau (Bauboom), da sich vergleichsweise viele Personen die günstigen Hypotheken leisten konnten. Die Folge war eine hohe Anzahl an neu erstellten Eigentumswohnungen sowie ein Anstieg der Anzahl von Mietwohnungen. Durch fehlende attraktive Anlagealternativen und hohe Volatilität auf den Finanzmärkten wurde der Druck auf den Immobilienmarkt weiter erhöht.
Wirtschaftliche Aspekte – Tiefe Zinsen
Da die Zinsen (Fremd- und Eigenkapital) im Nenner der Anlagekosten stehen, steigen in der Folge die Anlagekosten und damit die Immobilienpreise an.
Wirtschaftliche Aspekte – Markt- und gesellschaftliche Entwicklungen 10
Einen weiteren immer wichtiger werdenden Aspekt spielt der wirtschaftliche Strukturwandel und hierbei vor allem die Internationalisierung und Globalisierung. Durch das Erschliessen neuer Märkte entstehen weltweit attraktive Anlagealternativen und zahlungskräftige Nachfragesegmente, die das Kapital dort binden und vom lokalen etablierten Markt abziehen lassen.
Gesellschaftliche Aspekte – Demografischer Wandel
Zu- und Abwanderung, Bevölkerungswachstum, -rückgang und -alterung sowie die Geburtenraten verursachen Schwankungen auf der Nachfrageseite.
Gesellschaftliche Aspekte – Lohnniveau
Es besteht ein direkter Zusammenhang von Haushaltseinkommen und Mietzinsen beziehungsweise Wohnkosten (inkl. Hypothekarzinsen). Die durchschnittlichen Ausgaben für Wohnen und Energie sämtlicher Haushalte in der Schweiz liegen bei knapp 15 % des Haushaltseinkommens; in der Stadt Zürich bei knapp 16 % (Stand 2014). 11 Dieser Anteil ist unterschiedlich nach Region, Haushaltszusammensetzung, Erwerbsstatus, Alter und Zusammensetzung der Bewohner etc.
Technologische Aspekte – Neue Produktionstechnologien
Neue Produktionstechnologien wie Automatisierung des Bauens, Digitalisierung der Planung, neue Informations- und Kommunikationstechnologien (z. B. BIM) und veränderte Gebäudetechnologien (z. B. Wärmeerzeugung, -speicherung und -verteilung) können die Planungs- und Bauindustrie entscheidend verändern.
Fokus Schweizer Bauwirtschaft
Der schweizerischen Bauwirtschaft kommt sowohl in Bezug auf die Wertschöpfung als auch auf die Beschäftigung eine volkswirtschaftlich tragende Rolle zu. Obwohl der Wertschöpfungsanteil des Baugewerbes (Produktionsseite) lediglich knapp 5,5 % 12 beträgt, machen die Bauinvestitionen (Verwendungsseite) etwa 10 % 13 des Bruttoinlandproduktes (BIP) aus. Alle Kosten, die eine Bauinvestition sind, werden dort erhoben: Das sind neben den Leistungen des Baugewerbes auch die Kosten der Planenden. Auch wenn die Bedeutung der Bauwirtschaft für die gesamte Volkswirtschaft während des Nachkriegsbooms sowie in den späten 1980er Jahren wesentlich grösser war als heute, sind die aktuellen effektiven volkswirtschaftlichen Auswirkungen auch von grosser Wichtigkeit. Die Bauwirtschaft hat einen überdurchschnittlich hohen indirekten Einfluss auf den gesamtwirtschaftlichen Produktionsprozess. Sie ist eine wichtige Abnehmerin von Vorleistungen, beispielsweise von Architekturbüros, von Baustofflieferanten und von Baufahrzeugen und -maschinen.
Die Vorleistungen werden zu einem beträchtlichen Teil aus dem Inland bezogen. Der Importanteil ist im Vergleich zu anderen Wirtschaftssektoren gering. Zudem ist die Baubranche selbst eine wichtige Herstellerin von Vorleistungen für die Immobilienbranche. Man spricht hier von einem Wirtschaftsmultiplikator. Der Effekt dieses Sachverhaltes bedeutet eine verstärkte Nachfrage und folglich eine mehrfache Einkommenswirkung.
Für die Erhebungen des Wachstums im Bau- und Wohnungswesen wird zwischen Bauinvestitionen und -ausgaben unterschieden. Die Bauinvestitionen umfassen sämtliche Ausgaben, die bei der Realisierung eines Bauwerks anfallen und sind Teil des BIP. Die Bauausgaben hingegen setzen sich aus den Bauinvestitionen und den öffentlichen Unterhaltsarbeiten zusammen. Die Ergebnisse der Messung der schweizerischen Bauinvestitionen werden durch das BFS jährlich veröffentlicht.
Fokus Schweizer Immobilienmarkt
Den Schweizer Immobilienmarkt bestimmen der Immobilienbestand (Gebäude, Grundstücke) und die Beteiligten, die diesen Bestand entwickeln, finanzieren, produzieren, vermarkten, bewirtschaften und wiederverwerten. 14 Es handelt sich hier um einen Markt im wirtschaftlichen Sinn, also um ein Zusammentreffen von Angebot und Nachfrage, bei dem das Wirtschaftsgut «Immobilie» gehandelt wird.
Immobilien sind heterogene Güter und sie weisen spezifische Charakteristika auf, die sie von anderen Wirtschaftsgütern unterscheiden. Die Besonderheiten des Immobilienmarktes resultieren aus den Eigenschaften des Gutes Immobilie: Standortgebundenheit, Heterogenität, lange Produktionsdauer, hohe Kapitalbindung, hohe Transaktionskosten, Dauerhaftigkeit, lange Produktionszeit, begrenzte Substituierbarkeit, Illiquidität, etc. 15 Sie beeinflussen das Risikoprofil im Vergleich zu alternativen Anlagen in Finanzprodukte massgeblich (objektspezifisches Risiko, lagespezifisches Risiko, allgemeines Immobilienrisiko etc.).
Der Immobilienmarkt ist dabei kein in sich abgeschlossener Markt, sondern heterogen in Teilmärkte segmentiert. Die Marktpreisbildung ist nur bedingt beobachtbar, da die Transparenz gering ist und es bisher keine offizielle Preismessung für Wohneigentum gibt. 16 Die grösste Herausforderung beim Evaluieren der verschiedenen preisbildenden Charakteristika einer Immobilie besteht in der Neutralisierung der Qualitätsunterschiede der Liegenschaften verschiedener Erhebungsperioden, Standorte und Typologien. Eine Implementierung des Schweizer Immobilienpreisindexes für Wohnungseigentum durch das BFS ist in Arbeit. Im Verlauf des Jahres 2018 werden hierzu erstmals Zahlen veröffentlicht werden.
Anmerkungen
NOGA 2008 17
Die NOGA («Nomenclature générale des activités économiques», Allgemeine Systematik der Wirtschaftszweige) ist ein grundlegendes Arbeitsinstrument, mit dem statistische Informationen strukturiert, analysiert und dargestellt werden können. Es dient auch dazu, Statistiken untereinander zu vergleichen. Die Einheiten (Unternehmen und Arbeitsstätten) werden anhand ihrer wirtschaftlichen Haupttätigkeit klassiert und konsistent gruppiert. Die NOGA umfasst fünf Stufen, und unterscheidet 794 verschiedene wirtschaftliche Tätigkeiten. Jede Tätigkeit entspricht einem fünfstelligen Code.